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Autogipfel im Kanzleramt: Experten zweifeln an Sinn und Erfolg

Politik, Hersteller und Gewerkschaften treffen sich zum Autogipfel im Kanzleramt. Doch Experten sehen den unaufhaltsamen Abstieg der Branche. Kaum ein industriepolitisches Thema hat die Politik zuletzt so intensiv beschäftigt wie das geplante Aus für neue Verbrennerautos ab 2035. Die Regulierung aus der Europäischen Union bedrohe die hiesige Industrie, fürchten Branchenvertreter. Und der geht es ohnehin schon schlecht. Am Donnerstag will Friedrich Merz im Kanzleramt zeigen, dass die Bundesregierung die Lage der Branche ernst nimmt. Vertreter der Autoindustrie, der Bundesländer und der Gewerkschaften treffen sich mit dem Kanzler zum Autogipfel. Die IG Metall stellte im Vorhinein klar, dass es nicht bei einem reinen Austausch bleiben dürfe, sondern konkrete Ergebnisse und Verabredungen herauskommen müssten. "Das erwarten die Beschäftigten jetzt", sagte ein Gewerkschaftssprecher. Im Zentrum steht die Frage, wie die deutschen Hersteller wieder wettbewerbsfähig werden können. Für die Branchenvertreter ist klar, dass die Schwarz-Rote Koalition ihnen dabei unter die Arme greifen muss. Doch es ist fraglich, ob die Bundesregierung den Abwärtstrend der Hersteller und Zulieferer noch umkehren kann. Verbrenner-Aus : Diese Autos dürfen nach 2035 noch fahren Finanzminister : Lars Klingbeil fordert Arbeitsplatzgarantie von Autokonzernen "C-Probleme" statt Standortnachteile Wie ernst die Lage ist, zeigen neue Zahlen zur Industrieproduktion : Im August sank sie um 5,6 Prozent – in der Autoindustrie brach sie um drastische 18,5 Prozent ein. Das Statistische Bundesamt erklärte, der starke Einbruch gehe auch auf Werksferien und Produktionsumstellungen zurück. Doch Experten sehen tiefere Probleme. Der Ökonom Ferdinand Dudenhöffer meint: "Die Produktionszahlen werden weiter sinken, das ist kein Einmaleffekt." Der Direktor des Center Automotive Research (CAR) sieht deshalb wenig Sinn in dem Treffen: "Am besten wäre es, den Gipfel ausfallen zu lassen. Was da herauskommt, ist nicht zu gebrauchen", so Dudenhöffer. Die Politik beschäftige sich mit "C-Problemen", anstatt endlich die zentralen Standortnachteile anzugehen. Dudenhöffer sieht zwei zentrale Hürden: "Die Lohnnebenkosten sind zu hoch und die Energiekosten auch." Außerdem würden Regulierung und Bürokratie Innovationen erschweren. "Um die wichtigen Themen drücken sich Merz und seine Regierung herum", kritisiert Dudenhöffer. So will die Politik der Branche helfen Die deutsche Autoindustrie war einst weltweiter Vorreiter. Doch dann wanderte erst die Produktion in andere Länder ab, in denen günstiger produziert wird – und inzwischen kommen viele Innovationen aus dem Ausland . Deutsche Hersteller haben zunehmend Probleme, ihre Autos zu verkaufen. Die Folge: Immer mehr Unternehmen bauen Arbeitsplätze in Deutschland ab. Vor dem Autogipfel kursierten nun einige alte Forderungen, die der Branche helfen sollen. So sprach sich etwa SPD-Wirtschaftspolitiker Sebastian Roloff für Anreize für private Käufer von Elektroautos aus. Dem schließt sich auch die IG Metall an – zudem fordert die Gewerkschaft Unterstützung bei Stromkosten und den Aufbau einer europäischen Batteriewertschöpfungskette. Eine entsprechende Einigung konnten die Koalitionsspitzen bereits vor dem Gipfel verkünden: Vorgesehen ist ein Förderprogramm insbesondere für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen als Unterstützung für den Umstieg auf klimaneutrale Mobilität und die Nutzung emissionsfreier Fahrzeuge, wie es in einem Beschluss des Koalitionsausschusses heißt. Die Doppelstrategie der Hersteller Dass die Mobilität der Zukunft elektrisch ist, bezweifelt in der Branche niemand mehr. Doch weil die Lage schwierig ist, betonten die meisten Teilnehmer vor dem Gipfel, dass sie auch weiter mit Verbrennern Geld verdienen wollen. Dafür soll sich auch die Politik einsetzen. So teilte ein Mercedes-Sprecher mit: "Gesetzgebung und politische Rahmenbedingungen müssen an die veränderten Realitäten angepasst werden." Der Konzern wolle alle Kundenwünsche erfüllen können: "Ob vollelektrischer Antrieb oder elektrifizierter Verbrennungsmotor – bei Bedarf bis in die 2030er-Jahre hinein", hieß es von Mercedes . Was die schwarz-rote Koalition allerdings am Nachmittag der Autoindustrie in puncto Verbrennervorgaben präsentieren wird, war am Morgen noch unklar: CSU-Chef Markus Söder betonte zwar, dass er die EU-Vorgaben weiter für falsch halte. Auf eine gemeinsame Position konnten sich die Koalitionsspitzen offenbar aber nicht einigen. Im Beschlusspapier des Koalitionsausschusses wird das Verbrenner-Aus mit keinem Wort erwähnt. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) erklärte, dass der Autogipfel dafür sorgen solle, dem Markt für E-Mobilität Schwung zu verleihen. "Die Zulassungszahlen von E-Pkw sind aktuell nicht dort, wo die Automobilindustrie und die Politik sich dies gleichermaßen wünschen", so VDA-Chefin Hildegard Müller. Grund dafür seien unzureichende Lademöglichkeiten und teurer Ladestrom. Zusätzlich müsste sich die Bundesregierung auf der EU-Ebene aber auch für den Verbrenner einbringen. "Konkret geht es dabei vor allem um eine Anpassung des 2035-Ziels der CO₂-Flottenregulierung für Pkw und Vans auf 90 Prozent." Die EU fordert aktuell eine Minderung um 100 Prozent. Außerdem solle die Rolle erneuerbarer Kraftstoffe sowie von Plug-in-Hybriden und Range Extendern gestärkt werden, so der VDA. Zulieferer kämpfen ums Überleben Von der Krise der Autoindustrie sind besonders die Zulieferer hart betroffen. Viele mittelständische Betriebe kämpfen mit sinkender Auslastung und Auftragsrückgängen. Laut der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie (ArGeZ) wurden allein im vergangenen Jahr mehr als 22.000 Arbeitsplätze abgebaut, im ersten Halbjahr 2025 fielen weitere 31.500 weg. "Die Politik muss jetzt Reformen einleiten, ansonsten verliert Deutschland seine einzigartige Zulieferlandschaft", warnt ArGeZ-Sprecher Christian Vietmeyer. Ihre Zukunft verdunkelt sich, weil für Elektroautos weniger Teile benötigt werden. Deshalb werden viele Zulieferer die Transformation zur Elektromobilität wohl nicht überleben. ZF, einer der größten deutschen Zulieferer, setzt beim Gipfel auf Unterstützung aus der Politik. Das Unternehmen erhofft sich ein klares Signal für Technologieoffenheit. "Wenn wir den größten Effekt bei der Reduzierung von Kohlendioxid erzielen wollen, brauchen wir nicht allein das E-Auto, sondern auch weitere Antriebsformen wie etwa Plug-in-Hybride", so ein Sprecher. Auch Bosch erklärt im Vorhinein: "Eine zügige Überarbeitung der CO2-Flottenregulierungen ist erfolgskritisch für unsere Industrie." Die Existenz vieler europäischer Zulieferer stehe auf dem Spiel. Viele Zulieferer hoffen, mit solchen Mischtechnologien weiter Geld verdienen zu können – bevor ihnen die Transformation endgültig den Boden entzieht. Niemand mag Strukturwandel Stefan Kolev ist wissenschaftlicher Leiter des Ludwig-Erhard-Forums für Wirtschaft und Gesellschaft. Der Ökonom meint zur Lage der Industrie : "Niemand mag Strukturwandel, weil der tut weh. Doch das Vermeiden von Schrumpfen ist keine gute Wirtschaftsstrategie." Den Autogipfel im Kanzleramt sieht er kritisch: "Runde Tische sind gefährliche Möbel, besonders wenn nur homogene Interessen darum versammelt sind." Anstatt sich nur auf eine Branche zu fokussieren, sollte die Bundesregierung die Standortbedingungen für alle verbessern. Es sei schmerzhaft, dass aktuell viele Ingenieure in der Autoindustrie ihre Arbeitsplätze verlieren würden, so Kolev. Doch anstelle sich gegen den Strukturwandel zu stemmen, müsse die Bundesregierung sich nun darum kümmern, "dass neue industrielle Arbeitsplätze entstehen, wo diese Ingenieure gebraucht werden". Denn Innovation und Reallokation, also die Zuteilung von Ressourcen, seien die zentralen Wachstumstreiber für die Volkswirtschaft . Auch Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hält die Debatte um den richtigen Antrieb für hinderlich. "Es ist ein großer Nachteil, dass wir so viel über das Verbrenner-Aus diskutieren – das verwirrt Kunden und Industrie", betont er. Unabhängig davon, was auf dem Gipfel besprochen wird, sieht er ein weiteres Schrumpfen in der Branche voraus. Aktuell arbeiten noch rund 700.000 Menschen in der Autoindustrie, doch Dudenhöffer rechnet damit, dass es im Jahr 2035 rund 200.000 Menschen weniger sein werden. "Es werden dann wahrscheinlich mehr Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein, denn die Deutschen mögen ihre Autos. Doch sie werden dann nicht mehr hier produziert", befürchtet der Experte.