Bürgergeld: Bundesregierung einigt sich auf scharfe Sanktionen
Der Koalitionsausschuss der Bundesregierung hat erste Ergebnisse gebracht. Darüber informieren die Koalitionäre in Berlin. Die schwarz-rote Bundesregierung hat sich im Koalitionsausschuss auf weitreichende Änderungen beim Bürgergeld verständigt. Zudem einigten sich die Koalitionäre auf gemeinsame Positionen bei den Themen Rente und Aktivrente sowie auf Förderungen im Bereich Verkehr. Darüber informierten die Spitzen der Koalition am Donnerstagvormittag in Berlin . Beim Bürgergeld sollen Leistungsempfänger künftig deutlich schneller mit Kürzungen rechnen müssen – bis hin zur vollständigen Streichung der staatlichen Unterstützung. Konkret sollen beim ersten unentschuldigten Versäumnis eines Termins im Jobcenter die Leistungen sofort um 30 Prozent gekürzt werden – bislang waren nur 10 Prozent möglich. Erscheint der Betroffene auch zum zweiten Termin nicht, werden nochmals 30 Prozent abgezogen. Bleibt auch ein dritter Termin ungenutzt, stellt der Staat nicht nur das Bürgergeld vollständig ein, sondern auch die Übernahme der Mietkosten. Bürgergeld-Protokolle: "Prekärer geht's nicht" Bürgergeld-Reform: Linnemann spricht von "Milliarden"-Einsparungen Bas: "Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben" Die neuen Regelungen sehen außerdem vor: Wer sich den Pflichten verweigert, soll sofort mit einem Abzug von 30 Prozent rechnen müssen. Bei grundloser Verweigerung eines Jobangebots können alle Geldleistungen gestrichen werden – mit der Einschränkung, dass laut Bundesverfassungsgericht solche Totalsanktionen zeitlich begrenzt sind und nur gelten dürfen, solange das konkrete Jobangebot besteht. Auch das Vermögen der Betroffenen soll weniger geschont werden. Bisherige Karenzzeiten sollen wegfallen, das Schonvermögen soll stattdessen an die Lebensleistung geknüpft werden. "Es wird die neue Grundsicherung geben, so wie im Koalitionsvertrag verabredet", bestätigte Merz die geplante Umbenennung des Bürgergelds. In Deutschland beziehen aktuell rund 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld. Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) erklärte: "Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben. Wir verschärfen die Sanktionen bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist." Härtefälle würden berücksichtigt. E-Auto-Prämie, Milliarden für Straßenbau, Aktivrente Neben den verschärften Sanktionen für Bürgergeldempfänger verständigten sich die Koalitionsparteien auch auf finanzielle Anreize in anderen Bereichen: Kurz vor dem Dialog der Autobranche im Kanzleramt am Donnerstag beschlossen die Partei- und Fraktionschefs der schwarz-roten Koalition im Ausschuss nach Angaben von Kanzler Friedrich Merz , dass drei Milliarden Euro für ein Mobilitätsprogramm für kleine und mittlere Einkommen bei E-Autos zur Verfügung gestellt werden. Für den Neubau im Straßenbau sollen drei Milliarden Euro zusätzlich bereitgestellt werden – durch Umwidmung von Geld innerhalb des Klima- und Transformationsfonds, das ursprünglich für den Bereich Mikroelektronik vorgesehen war, sowie durch eine Nutzung nicht verbrauchter Mittel im Haushalt für bereits baureife Projekte. Die Koalitionsspitzen einigten sich Merz zufolge auch auf die sogenannte Aktivrente , die für ältere Arbeitnehmer ein Anreiz sein soll, freiwillig über das Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten. Zuletzt hatte es noch Uneinigkeit darüber gegeben, ob im Folgejahr doch Steuern anfallen würden, dieser sogenannte Progressionsvorbehalt soll nun nicht greifen . Möglich sein soll die Aktivrente ab Erreichen der Regelaltersgrenze bei regulären, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Mehr Netto soll es nicht erst nach der Steuererklärung geben, sondern schon beim Lohnsteuerabzug. Die Aktivrente soll am 1. Januar in Kraft treten. Frage um Verbrenner-Aus bleibt offen In der Frage um etwaige Lockerungen des von der EU beschlossenen Verbrenner-Aus ab 2035 hat sich die Koalition indes noch nicht geeinigt. Man stimme überein, dass man Arbeitsplätze halten wolle, sagte CSU-Chef Markus Söder nach der Sitzung des Koalitionsausschusses und vor dem "Autogipfel" am Nachmittag. Aber es gebe noch unterschiedliche Auffassungen, wie man das handhaben wolle. Die Union will das Verbot der Zulassung neuer Verbrennerfahrzeuge auf dem EU-Markt ab 2035 kippen. "Das starre und strikte Aus des Verbrenners ab 2035 ist aus unserer Sicht der falsche Weg. Das kann so nicht bleiben. Wir brauchen da mehr Möglichkeiten", sagte Söder. Aber zu glauben, dass 2035 alles elektrisch fahren könne, sei nicht realistisch. SPD-Chef Lars Klingbeil deutete an, dass er Kompromissmöglichkeiten sieht: Man sei in der Debatte schon "sehr weit gekommen". Die SPD wolle einen starken Automobilstandort, sie wolle heutige Arbeitsplätze sichern, aber auch die Arbeitsplätze der Zukunft. Merz: Dicke Bretter im Koalitionsausschuss gebohrt Merz sprach von einer "wirklich ausgesprochen guten Atmosphäre" während der Gespräche. Es sei insgesamt ein guter Koalitionsausschuss gewesen. Söder sprach von einer Marathonsitzung. "Es war auch eine ernste Stimmung, weil wir auch ernste Zeiten haben." Man habe etliches weggearbeitet und dicke Bretter gebohrt. Der Koalitionsausschuss hatte bis tief in die Nacht getagt. Nach rund achtstündigen Beratungen waren die Spitzen von Union und SPD im Kanzleramt auseinandergegangen. Besonders aus Sicht der Union soll mit Gesetzesbeschlüssen im Herbst noch die Handlungsfähigkeit der Regierung bewiesen werden. Schlechte Umfragewerte setzen beide Regierungspartner unter Druck.
