Mieterstrom: 20 Millionen Haushalte könnten Strom günstiger bekommen
Mieterstrom kennt in Deutschland bisher kaum jemand. Dabei birgt es einer neuen Studie zufolge sowohl für Mieter als auch Vermieter erhebliche Vorteile. In Deutschland sind mehr als 100 Gigawatt (GW) an Solarkapazität installiert: auf Dächern, Balkonen und Freiflächen. Bis 2030 sollen es 215 GW sein. Um dieses Ziel auch nur annähernd zu erreichen, müssen neue Potenziale der Solarenergie gehoben werden. Aktuell sind es vorrangig Einfamilien- und Zweifamilienhausbesitzer, die Photovoltaikanlagen aufs Dach installieren. Auf Mehrfamilienhäusern sind die Anlagen eher selten. Dabei könnten laut einer neuen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln theoretisch drei Millionen Mehrfamilienhäuser von sogenannten Mieterstrommodellen profitieren. Mit einem Mieterstrommodell können Eigentümer von Mehrfamilienhäusern – häufig sind das zugleich die Vermieter – eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installieren und den dort erzeugten Strom dann an die Mieter verkaufen. Der Vermieter ist dann auch Stromanbieter des Mieters. Die Teilnahme des Mieters ist dabei immer freiwillig, ein Mieterstromvertrag kann immer gekündigt werden. Mieter sparen bis zu 250 Euro Stromkosten im Jahr Da die Stromerzeugung direkt im Haus geschieht, müssen die Mieter dann keine Netzentgelte oder Stromsteuern zahlen. Diese Bestandteile machen aktuell mehr als die Hälfte des Strompreises aus . Mieterstrom ist also wesentlich günstiger als ein normaler Stromvertrag. In der Studie gehen die Autoren von einer Ersparnis zwischen 2,5 und 5 Cent pro Kilowattstunde (kWh) aus. Für einen Haushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch von 5.000 Kilowattstunden entspräche das einer Ersparnis zwischen 125 und 250 Euro pro Jahr. Es gibt aber auch große Vorteile für Vermieter, wie das IW feststellt. Es ermöglicht dem Vermieter eine zusätzliche Einnahmequelle zu sichern. Den Berechnungen zufolge lässt sich dabei eine Rendite zwischen 3,6 und 18,5 Prozent erzielen. Entscheidend ist die Quote der teilnehmenden Mieterhaushalte und die Höhe der Einspeisevergütung zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme. Da die aktuelle Bundesregierung angekündigt hat, die feste Einspeisevergütung für Photovoltaikanlagen abzuschaffen , kann das die Renditechance für Vermieter in Zukunft sinken lassen. Insgesamt berechnet das IW, dass Vermieter mit Photovoltaikanlagen und Mieterstrom nach 20 Jahren fast 90.000 Euro Profit machen können. Angenommen wurde eine 30 kWp-Anlage plus Batteriespeicher und intelligenter Messtechnik. Diese wäre nach 14 Jahren amortisiert, wenn 75 Prozent der Mieter im Haus mit acht Parteien teilnehmen würden. Außerdem mutmaßen die Studienautoren, dass Vermieter mit Mieterstrom ihre Wohnungen länger vermieten können als ohne Mieterstrom. Mieter brauchen kaum noch Strom aus dem Netz Die Studie hat auch untersucht, wie hoch der sogenannte Autarkiegrad durch Mieterstrom ausfallen könnte. Autarkie bedeutet, dass man sich selbst vollständig oder teilweise versorgt und unabhängig von der öffentlichen (Strom-)Versorgung ist. Einfamilienhäuser, die eine Solaranlage , einen Speicher und noch ein E-Auto haben, können schon heute bis zu 95 Prozent autark sein . Im Mehrfamilienhaus könnte – je nach Stromverbrauch der einzelnen Mieterhaushalte – ein Autarkiegrad von bis zu 78 Prozent erreicht werden, so die Autoren. Im schlechtesten Szenario läge der Autarkiegrad bei 35 Prozent, wenn zum Beispiel mit der Photovoltaikanlage kein Speicher installiert wird. Da der Grad der Unabhängigkeit zu keinem Zeitpunkt 100 Prozent beträgt, müssen Mieter trotzdem noch normale Stromverträge abschließen, um den Reststrom aus dem Netz beziehen zu können. Die Rechnungen daraus würden aber niedriger ausfallen, da der Verbrauch aus dem öffentlichen Netz sinkt. 20 Millionen Wohnungen könnten von Mieterstrom profitieren Wenn mehr Menschen lokal erzeugten Strom nutzen, hätte das aber auch für das gesamte Land Vorteile, heißt es weiter. Zum einen erwarten die Autoren, dass dadurch die Akzeptanz für die Energiewende steigt. Denn so profitieren auch Haushalte, die sonst ausgeschlossen bleiben, etwa weil sie kein Eigenheim besitzen. Zudem könnten durch Mieterstrommodelle rechnerisch drei Millionen Häuser mit 20 Millionen Wohnungen versorgt werden. Das entspräche einer Photovoltaik-Erzeugungskapazität von 60 GW, zwei Drittel dessen, was Deutschland zur Erreichung des Ausbauziels bis 2030 noch fehlt. Außerdem könnte Mieterstrom das öffentliche Netz entlasten. Dies birgt aber auch einen Nachteil: Wenn weniger Strom aus dem öffentlichen Netz entnommen wird, werden insgesamt weniger Netzentgelte gezahlt, die heute zur Finanzierung der Stromnetze benötigt werden. Es müsste daher ein anderer Mechanismus eingeführt werden, um die Stromnetzfinanzierung zu gewährleisten. Denkbar wäre eine Erhöhung des Grundpreises , den jeder Stromverbraucher unabhängig vom Verbrauch zahlt. Diesen Vorschlag hatte auch der Chef des Stadtwerke-Verbands VKU im Interview mit t-online gemacht. Ab 2026 kommt Energy Sharing nach Deutschland Auch wenn Mieterstrom heute möglich ist, wird es noch selten genutzt. Die Autoren der IW-Studie glauben, dies liege an bürokratischen Hürden. Die Vorgaben zur Strommessung und Abrechnung seien kompliziert, die Genehmigungsprozesse von Photovoltaikanlagen durch die Netzbetreiber aufwendig. "Ohne Reformen bleiben wertvolle Potenziale ungenutzt", warnt IW-Ökonom Ralph Henger. Für Mehrfamilienhäuser, ganze Nachbarschaften oder kleinere Gemeinden gibt es auch ein anderes Solarstrommodell, das vor allem in Österreich sehr beliebt ist: Energy Sharing . Zusammen erwerben eine oder mehrere Personen gemeinsam eine oder mehrere Solaranlagen. Der Strom, der daraus erzeugt wird, wird unter den Mitgliedern der Energiegemeinschaft verteilt. Es ist auch möglich, den Strom kostenlos einander zur Verfügung zu stellen. In Deutschland ist dazu kürzlich ein Gesetz durch den Bundestag gegangen, ab dem 1. Juni 2026 sollen erste Energiegemeinschaften gegründet werden können.
