US-Präsident Donald Trump hat nicht mehr alle Tassen im Schrank
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser, wenn Sie den "Tagesanbruch"-Newsletter abonnieren möchten, nutzen Sie bitte diesen Link. Dann bekommen Sie ihn jeden Morgen um 6 Uhr kostenlos per E-Mail geschickt. Und hier ist der Tageskommentar: Wenn Sie in Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen leben, brauchen Sie heute mehr als nur eine Jacke. Mit Schirm, Mütze und am besten auch Gummistiefeln kommen Sie unbeschadet durch den Tag. Die Wetterfrösche zeigen stundenlangen Regen an, da werden wieder Keller volllaufen. Falls Sie in Nord- oder Ostdeutschland leben, bleiben Sie noch ein Weilchen verschont, bevor es morgen auch dort schaurig schauern kann. Als hätte Sie auf das passende Wetter gewartet, trifft sich heute in Hamburg die Fachwelt zum Extremwetterkongress: Wissenschaftler aus aller Welt zeigen anhand neuer Daten, wie rasant der Globus sich erhitzt und welche brutalen Folgen dies für Abermillionen Menschen hat. Eine der am stärksten betroffenen Weltregionen ist Europa. Meine Kollegin Ellen Ivits berichtet auf t-online von dem Gipfel. Zeitgleich legen Forscher heute den Welt-Risikobericht vor, der sich schwerpunktmäßig Überschwemmungen widmet und ebenfalls eine klare Botschaft formuliert: Wo hohe Gefährdung auf große Verwundbarkeit trifft, wird Regen zur Katastrophe. Die Faktenlage ist also klar. Umso fassungsloser blickt man auf den Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt, der vor wenigen Stunden in einer Tirade vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen den menschengemachten Klimawandel als "Lüge" bezeichnet hat. In einigen Jahren werden Historiker auf die Septembertage 2025 zurückschauen und sie kopfschüttelnd als die Zeit der großen Verirrung titulieren. Umso wichtiger, die Fakten heute noch mal auf den Tisch zu legen. Was also passiert da gerade in der Atmosphäre? Raffinerien, Fabriken, Autos und Flugzeuge blasen immer mehr Kohlenstoffdioxid in die Luft, Rinder stoßen Methan aus. Die Treibhausgase legen sich wie eine Decke um den Planeten: Sie stauen die Sonnenwärme. Wärmere Luft nimmt mehr Wasserdampf auf – und wenn sie abkühlt, fällt mehr Regen auf einmal vom Himmel. So führt die menschliche Manipulation des planetaren Klimasystems zu mehr Hitzewellen und mehr Starkregen, zu mehr Dürren und immer heftigeren Stürmen. Das ist keine Meinung, das ist Wissenschaft. Leider reagiert die Menschheit trotz der dramatischen Lage nur in Zeitlupe. Klimaschutzziele werden verwässert, Sonntagsreden ersetzen Taten, auf Konsum verzichten will sowieso kaum jemand. Das kann man machen, wenn man Ignoranz für eine wertvolle Charaktereigenschaft hält oder wenn man so blasiert daherkommt wie der Mann in Washington. Alle helleren Geister jedoch tun gut daran, schleunigst aus der Apathie zu erwachen. Schon klar, nach Corona, Kriegen und Rezession will eigentlich niemand mehr schlechte Nachrichten hören. Die Ohren zuzuhalten hat jedoch nur einen einzigen Effekt: Schlägt das Unheil erst mit voller Wucht zu, ist man noch schlechter gewappnet. So kurzsichtig kann eigentlich niemand sein, der noch alle Tassen im Schrank hat. Was also tun? Newsletter-Autoren sind meistens weder Klimafachleute noch sollten sie sich dafür ausgeben. Ein paar Punkte jedoch erscheinen so naheliegend, dass sie auch von einem durchschnittlichen Journalisten notiert werden können. Erstens: Die Atmosphäre muss schnell sauberer werden. Also den Kohleausstieg vorziehen, Stromnetze und -speicher ausbauen, Häuser dämmen, Wärmepumpen einbauen, Genehmigungen beschleunigen, bürokratische Vorschriften abschaffen. Die Ampelregierung hatte diesbezüglich einiges angebahnt, die schwarz-rote Koalition muss erst noch beweisen, dass sie es ernst meint mit dem Klimaschutz. Handeln muss sie so oder so: Ab 2027 gilt das EU-Emissionshandelssystem für Gebäude und Straßenverkehr und zwingt Brennstofflieferanten, Zertifikate zu ersteigern und die Kosten für Heizöl, Benzin und Erdgas zu bepreisen. Fossile Energie wird dann noch viel teurer. Wer darauf nicht vorbereitet ist und nicht genügend Strom aus Windkraft, Solar und Biomasse produziert, sieht alt aus und wird in der Weltwirtschaft abgehängt. Zweitens: Fairer handeln. Um europäische Unternehmen vor ausländischen Fossilimporten zu schützen, führt die EU schon ab dem kommenden Jahr eine verbindliche CO2-Grenzabgabe ein. Wer schmutzig produziert, zahlt dann an der EU-Außengrenze saftige Aufschläge. So wird der größte Binnenmarkt der Welt zum Vorbild für den Klimaschutz. Bis dahin kommt es darauf an, die Attacken von Rechtspopulisten und der Europäischen Volkspartei auf den "Green Deal" abzuwehren. Drittens: Bündnisse schließen. Der von der G7-Staatengruppe initiierte Klima ‑ Club kann Industriestandards, Handel und Investitionen so verzahnen, dass Stahl-, Zement- und Chemieproduzenten schneller nachhaltige Produkte entwickeln. Wer mitzieht, profitiert; wer bremst, zahlt. Aber wer setzt sich energisch dafür ein? Viertens: Neue Ziele setzen. Im November trifft sich die Staatengemeinschaft in Brasilien zur nächsten Weltklimakonferenz. Bisher laufen die Vorbereitungen träge, viele Länder drücken sich vor konkreten Zusagen. Um das Scheitern des Gipfels zu verhindern, braucht es eine Allianz konstruktiver Staaten, die Zauderer mitziehen und Verweigerer wie die USA isolieren. Deiche an Küsten und Bewässerung in Dürregebieten kosten viel Geld, sind aber billiger als künftige Überschwemmungskatastrophen und Flüchtlingsströme. Fünftens: Resilienz stärken. Wer das Gekeife aus Washington, aus den Reihen der AfD oder von den Klimawandelleugner-Trollen in den "sozialen Medien" hört, kann den Mut verlieren. Nichts wäre falscher. Die Destruktiven sind zwar laut, aber in der Minderheit. Die große Mehrheit der Menschen möchte in einem stabilen Ökosystem leben und viele sind bereit, dafür auch Kompromisse beim Lebenswandel zu machen. Doch diese Mehrheit muss lauter werden. Wer merkt, dass er von mehr Vernünftigen als Narren umgeben ist, handelt mutiger. Die gute Nachricht ist: Das Klima reagiert auf jede vermiedene Tonne Treibhausgas. Das vorhandene Wissen muss endlich in Taten umgesetzt werden. Jetzt ist nicht die Zeit für Zyniker, sondern für Anpacker. Dann wird der nächste Platzregen nicht zur Schlagzeile, sondern zur Randnotiz. Berlin statt New York Zwei Generaldebatten im Bundestag innerhalb einer Woche: Das hat es – wenn überhaupt je – lange nicht gegeben. Wegen der aufeinanderfolgenden Haushaltswochen für die Etats 2025 und 2026 tritt der Fall heute ein: Wie am vergangenen Mittwoch erläutert Kanzler Friedrich Merz wieder die Politik seiner Bundesregierung. Interessant wird zu beobachten sein, ob und wie er sich von seiner jüngsten, im Ton moderat-versöhnlichen Reformrede abhebt. Zuletzt hatte er die schrillen Attacken der AfD-Frontfrau Alice Weidel mit Nichtbeachtung gestraft und stattdessen für einen "Konsens der Gerechtigkeit" und Geduld geworben. Dass der zuweilen als "Außenkanzler" gescholtene Regierungschef den Termin ernst nimmt, steht außer Zweifel: Immerhin hat er für die Generaldebatte auf eine Reise zur hochkarätig besetzten UN-Vollversammlung nach New York verzichtet – und dafür auch wieder Kritik eingesteckt. Tatsächlich beweist ausgerechnet Außenminister Johann Wadephul, der Deutschland bei den Vereinten Nationen vertritt, dass sich mit Vielfliegerei auch beide Veranstaltungen verbinden lassen: Der Chefdiplomat jettete gestern Abend per Linienflug nach Berlin, um dabei zu sein, wenn heute um 13 Uhr das Budget fürs Auswärtige Amt auf der Tagesordnung steht – und kehrt direkt danach wieder an den East River zurück. Fürs Klima allerdings eher kontraproduktiv. Trumps Tiraden Puh! Als der Mann, der sich US-Präsident nennen darf, gestern in der UN-Generalversammlung das Wort ergriff, lobte er sich nicht nur selbst dafür, in den ersten sieben Monaten seiner zweiten Präsidentschaft "sieben Kriege beendet" zu haben (welche das sind, weiß nur er selbst). Er stellte außerdem den Zweck der Vereinten Nationen infrage, nannte Klimapolitik "den größten Betrug aller Zeiten" und wetterte gegen Migration. Am heutigen zweiten Debattentag rücken Kriege und Konflikte in den Blickpunkt, die Mister Trump leider nicht beendet hat: Am Nachmittag ist eine Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vorgesehen, danach ergreifen der iranische Präsident Massud Peseschkian und Syriens Übergangspräsident Ahmad al-Scharaa das Wort. Zudem will sich der UN-Sicherheitsrat endlich mit den Risiken Künstlicher Intelligenz befassen. War es ein Arbeitsunfall? Es war eine Tragödie, und Millionen Menschen sahen sie live: Vor knapp 15 Jahren verunglückte der Kunstturner Samuel Koch in der ZDF-Samstagabendshow "Wetten, dass..?" beim Versuch, mit Sprungstiefeln fahrende Autos im Vorwärtssalto zu überspringen. Seither ist der heute 37-Jährige querschnittsgelähmt und auf fremde Hilfe und teure Instrumente angewiesen. Bereits 2020 beantragte er, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen, scheiterte damit jedoch in mehreren Instanzen. Nun prüft das Bundessozialgericht in Kassel, ob Koch als Wettkandidat der Sendung unfallversichert war. Das Urteil soll noch heute ergehen. Lesetipps Donald Trump inszeniert sich bei der UN-Generalversammlung als großer Weltenlenker. Die Wahrheit sieht jedoch wenig ruhmreich für den US-Präsidenten aus, berichtet unser Korrespondent Bastian Brauns. Plötzlich meint Donald Trump, die Ukraine könne ihr gesamtes Staatsgebiet von den Russen zurückerobern. Was dahintersteckt, erklären unsere Reporter Patrick Diekmann und Bastian Brauns. Wütende Anrufe, negative Bewertungen: Über ein kleines Kölner Café bricht eine Welle der Empörung herein. Stein des Anstoßes ist ein angebliches "Kinderverbot" in dem Lokal. Was ist da passiert? Unser Reporter Philip Buchen war vor Ort. Ohrenschmaus Die schrille Weltlage erfordert zum Ausgleich sanfte Töne. Ich habe da was für Sie. Zum Schluss Wenn schon die Nato versagt, helfen sich Bürger eben selbst. Ich wünsche Ihnen einen sicheren Tag. Morgen kommt der Tagesanbruch von unserem Chefreporter Johannes Bebermeier. Herzliche Grüße Ihr Florian Harms Chefredakteur t-online E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de Gefällt Ihnen der Tagesanbruch? Dann leiten Sie diesen Newsletter an Ihre Freunde weiter. Haben Sie diesen Newsletter von einem Freund erhalten? Hier können Sie ihn kostenlos abonnieren. Alle bisherigen Tagesanbruch-Ausgaben finden Sie hier . Alle Nachrichten von t-online lesen Sie hier . Mit Material von dpa.
