Einspeisevergütung ist "ineffizienter Einsatz von Steuergeld" laut VKU-Chef
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche schwört die Deutschen auf einen Kurswechsel in der Energiewende ein. Aus Sicht des Hauptgeschäftsführers des Verbands kommunaler Unternehmen, Ingbert Liebing, werden jetzt die zentralen Weichen gestellt. Die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) will die Kosten für die Energiewende senken und stattdessen einen effizienteren Kurs auf dem Weg zur Klimaneutralität bestreiten. In Zukunft sollen erneuerbare Energien weniger gefördert werden, dafür soll es schnell zum Zubau neuer Gaskraftwerke kommen, die die Versorgungssicherheit auch nach Abschaltung der Kohlekraftwerke sichern sollen. Viele Menschen werden die Energiewende in den nächsten Jahren vor allem über ihren regionalen Energieversorger bzw. die Stadtwerke mitbekommen und erleben. Dessen Zentralverband ist der Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Der VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing hat mit t-online über die Ergebnisse des neuen Berichts gesprochen – und darüber, wie die Stadtwerke die Energiewende jetzt meistern wollen. Einspeisevergütung soll enden: Betreiber "brauchen kein Steuergeld" Herr Liebing, die Ministerin hat einige Gesetzesänderungen angekündigt, die sie in dieser Legislatur anpacken will. Zum Beispiel soll die Einspeisevergütung für PV-Dachanlagen auslaufen, es sollen mehr und schneller Smart Meter eingebaut werden und es soll mehr Regionalisierung beim Zubau der Erneuerbaren geben. Was würden Sie als allererstes anpacken? So weit sind wir noch gar nicht, sondern es geht erst mal darum, eine grundsätzliche Diskussion über die Kosteneffizienz in allen Bereichen stärker in den Fokus zu nehmen. Das halten wir auch für richtig, denn wir als kommunale Energieversorger, als Stadtwerke, haben ein Interesse an bezahlbaren Energie- und Stromkosten. Wir wollen unsere Kundinnen und Kunden nicht überfordern. Aber die Gefahr ist, dass mit dem bisherigen Verfahren, wenn wir einfach nur weiter machen wie bisher, die Kosten explodieren. Allein in diesem und im nächsten Jahr werden jeweils um die 30 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt mobilisiert, um die Strompreise zu stabilisieren . Wir sagen: Das Energiesystem muss in sich effizienter werden, damit die Unternehmen mit Investitionsentscheidungen weniger abhängig sind von jährlichen Haushaltsbeschlüssen des Bundestages. Im Fall der Smart Meter plädieren die Gutachter dafür, die Unternehmen – das sind häufig auch Stadtwerke –, die nicht schnell genug vorankommen, sanktioniert werden sollten. Was sagen Sie dazu? Wir kommen nicht an der Feststellung vorbei, dass der Ausbau der Smart Meter in den vergangenen Jahren in Deutschland weit hinter dem notwendigen Maß zurückgeblieben ist. Das System war lange viel zu bürokratisch geregelt und nicht kostendeckend. Aber schauen wir nach vorn: Wir müssen jetzt vorankommen. Der Hochlauf beginnt jetzt. Wenn die Gutachter jetzt Optionen aufzeigen, was man noch tun kann, um den Rollout zu verbessern, sind wir gerne bereit, daran zu arbeiten. Die Gutachter sprechen ja nicht nur von Sanktionen, sondern auch von Anreizen. Ein Weg kann sein, Kooperationen zwischen Stadtwerken zu befördern. Gemeinsam und teilweise auch mit Dienstleistern kann man effizienter und schneller diese komplexe Aufgabe bewältigen. Wir sind offen dafür, zusätzliche Anreize zu schaffen. Die Solarförderung für PV-Dachanlagen soll auslaufen, das fordert auch die EU. Das sorgt jetzt bei einigen Hausbesitzern für Unsicherheit und wahrscheinlich werden jetzt alle noch mal zugreifen, bevor es zu spät ist. Und dann, wenn die Förderung ausläuft, werden die Zubauzahlen wahrscheinlich sinken. Diesen Effekt kenne ich schon seit über 20 Jahren. Immer dann, wenn angekündigt wird, dass in bestehende Förderungen eingegriffen wird, dann wird ganz viel, ganz schnell gemacht. Wir wollen den Zubau nicht reduzieren. Es geht darum, dass die staatliche Förderung nicht mehr notwendig ist ; PV-Dachanlagen können heute bereits ohne Einspeisevergütung wirtschaftlich betrieben werden. Es fließen jedes Jahr Milliarden aus dem Bundeshaushalt in diese Förderung; der Anteil der Förderung von PV-Dachanlagen macht ca. die Hälfte der Erneuerbaren-Förderung aus. Dabei trug Solar im Jahr 2024 nicht mal zu 15 Prozent zum Strommix in Deutschland bei, als die Erneuerbaren erfreulicherweise bereits auf einen Gesamtanteil von fast 60 Prozent an der Stromerzeugung kamen. Das ist ineffizienter Einsatz von Steuergeld. Und das erst recht in einer Situation, in der sich vor allem die PV-Dachanlage durch den Eigenverbrauch im Haus ohne Förderung rechnet. Erst recht, wenn man noch über Heimspeicher, Wallbox mit Elektroauto und noch eine Wärmepumpe verfügt. Innerhalb der Solarwirtschaft wächst allerdings die Sorge, dass das nicht bei den normalen Verbrauchern ankommt. Sie denken: Ohne Förderung lohnt sich die Anlage nicht. Eine PV-Dachanlage ist auch ohne Förderung wirtschaftlich betreibbar und für den eigenen Strombedarf sinnvoll. Für die Zukunft benötigen wir vernünftige Modelle, wie man den überschüssigen Solarstrom vermarktet. Gerade auch vor Ort, durch Direktvermarktung und lokale Preissignale. Die Botschaft ist aus unserer Sicht klar: Solar ja, aber mit Speicher und Smart Meter und besserem Management. Ich denke, die Solarwirtschaft sollte stolz darauf sein, dass PV-Dachanlagen mittlerweile ohne staatliche Subventionen wirtschaftlich sind und dies auch entsprechend bewerben. Im Gutachten ist auch davon die Rede, dass der Zubau der erneuerbaren Energien mehr regionalisiert werden muss. Also: Es soll nicht mehr überall wie wild zugebaut werden. Wie könnte die Steuerung Ihrer Ansicht nach aussehen? Das Gutachten benennt sehr klar, wo die Kosten regelrecht explodieren. Nämlich beim Netzausbau! Und im Moment wird der Ausbau der Erneuerbaren unabhängig von der Betrachtung der Infrastruktur geplant. Unabhängig davon, ob die Netze da sind oder nicht – im Zweifelsfall muss der Netzbetreiber dafür sorgen, dass die Netzkapazitäten verfügbar sind, wenn der PV-Park loslegen will. Das ist kein sinnvoller Steuerungsmechanismus für einen effizienten Netzausbau. Der Ausbau von Erzeugungsanlagen und der Ausbau der Netze muss besser in Einklang gebracht werden. Das heißt, aus unserer Sicht, wenn jemand einen neuen PV-Park in einem Gebiet mit schlechtem Netzanschluss plant, muss er sich am Bau der Netze finanziell beteiligen. Das schafft Anreize, eher dort zu planen und zu bauen, wo schon eine gute Infrastruktur steht. Würde das auch auf private PV-Anlagen zutreffen? Aufwand und Nutzen müssen in einem sinnvollen Verhältnis stehen. Aktuell läuft es doch so: Die Einfamilienhausbesitzer bauen ihre PV-Anlage aufs Dach, im Moment noch mit staatlicher Förderung. Dann kaufen sie sich ein E-Auto, vielleicht auch das mit staatlicher Förderung. Dann eine Wärmepumpe auch noch mit staatlicher Förderung und noch einen Heimspeicher. Das ist eine super Situation für die – so können sich die Eigenheimbesitzer selbst zu 80 oder 90 Prozent selbst versorgen. Aber für die letzten 10 bis 20 Prozent brauchen sie immer noch das Versorgungsnetz, wenn die Sonne längere Zeit nicht oder nicht ausreichend scheint. Dafür – und für die Einspeisung des überschüssigen Stroms – muss das Netz im Zweifel ausgebaut werden. Das zahlen hauptsächlich aber andere, weil die Einfamilienhäuser mit PV-Anlage nur sehr wenig Netzentgelte zahlen müssen. Deshalb sind wir dafür, dass der Grundpreis – den alle unabhängig von ihrem Verbrauch zahlen – steigt und damit der Netzausbau finanziert wird. Das wäre sozial gerechter. Heute sind es vor allem Haushalte, die sich diese ganzen schönen Geräte nicht leisten können oder keine baulichen Möglichkeiten haben, die über ihre Stromrechnung den Netzausbau maßgeblich mitfinanzieren. Aber ist es nicht genau das, was wir wollen: Dass möglichst viele sich eine Solaranlage plus Wallbox und Wärmepumpe und Speicher einbauen? Ja, das wollen wir unbedingt. Trotzdem müssen wir über eine gerechtere Verteilung der Systemkosten sprechen. Gerade sehen wir hier eine Entsolidarisierung. Es wird auch darüber gesprochen, dass alle solidarisch für die Reservekraftwerke, die in Zeiten mit wenig Wind und Sonne den Strom liefern sollen, bezahlen. Stichwort Kapazitätsmarkt. Wie wird das am Ende aus Ihrer Sicht aussehen? Das hängt ganz erheblich davon ab, was mit der EU am Ende vereinbart wird. Aber ganz klar: Wir brauchen diese Kraftwerke und wir werden sie alle gemeinsam bezahlen müssen. Entweder mit Steuermitteln oder über eine Umlage auf den Strompreis. Der Monitoringbericht ist auch hier sehr anschaulich: Die Stromkosten sind mehr als das, der Preis pro Kilowattstunde. Die reinen Erzeugungskosten von Strom aus Wind und Sonne, die mögen gering sein. Aber die Systemkosten müssen wir mit betrachten: Es kostet auch Geld, das Netz dezentral auszubauen und Kraftwerke in der Reserve zu halten. Wir sind den Klimazielen sehr verbunden, wir sind es kommenden Generationen schuldig, klimaneutral zu werden, aber das System muss bezahlbar bleiben. Und alle sollten ihren Beitrag leisten – durch mehr Effizienz und eine gerechtere Verteilung der Systemkosten.
